Bei knappen 30 Grad, kaba-schlürfend ein Feuerwerk bestaunen, „Feliz navidad“ in Dauerschleife, ein mit Schleifchen überhäufter Plastikchristbaum, Paneton (eine Art fluffliger Christstollen) im Überfluss und der Besuch von Papa Noel (dem Weihnachtsmann), so in etwa ist mein diesjähriger Heiligabend abgelaufen. Denn ich habe Weihnachten in Südamerika feiern.
Vorab vielleicht noch eine kurze Hinführung: Ich bin Marie Grabmann, 19 Jahre alt, komme aus Sainbach und darf dank dem Bistum Augsburg einen Weltfreiwilligendienst in Peru erleben.
So jetzt wisst ihr Bescheid und wir können mit der eigentlichen Story starten:
Nach einer fast reibungslosen 16-stündigen Anreise wurden wir von drei Pfarrer am Flughafen in Lima abgeholt. „Fast“ aus dem Grund, weil leider mein großer Wanderrucksack in Madrid hängen geblieben ist und eine Woche länger gebraucht hat, um in Huaura anzukommen. Huaura ist mein Wohnort mit knapp 35 000 Einwohnern und liegt etwa vier Busstunden von Lima, der Hauptstadt von Peru, entfernt. Hier wohne ich bei einer sehr herzlichen und aufgeschlossenen Gastfamilie, die sich aus Gasteltern, -schwester, -onkel, -tante, -cousinen, -nichten und einigen Hunden zusammensetzt.
Mein Alltag schaut ungefähr so aus: Ich stehe um circa 6:30 Uhr auf, putze meine Zähne, benutze viel Sonnencreme, zieh meine Schuluniform, die ein Trainingsanzug ist, an und frühstücke gemeinsam mit meiner Familie. Im Anschluss sammle ich meine Gastnichten und den Nachbarsjungen ein und bringe sie zur Schule, denn diese liegt sowieso auf meinem Weg zur Arbeit – ebenfalls eine Schule. Aktuell unterstütze ich in der integrativen Grundschule Santa Barbara überwiegend die sehr motivierte und kreative Klassenleiterin der 1A, indem ich viel ausschneide, einklebe, schreibe, korrigiere, singe, tanze, erkläre, tröste, kopiere und die Kinder versuche vom Däumchen drehen abzuhalten. Kommunikations- und Matheunterricht finden jeden Tag statt, sowie ein kreatives bzw. interaktives Fach, wie beispielsweise Tanzen, Kunst, Computer oder Sport. Seit kurzem helfe ich außerdem in der zweiten Klasse im Englischunterricht bei der Aussprache der Vokabeln mit. Nach dem Unterricht helfe ich das Klassenzimmer aufräumen und des Öfteren finden auch Lehrerkonferenzen oder Fortbildungen statt. Die Direktorin, das Schulpsychologien-Team und das komplette Lehrerkollegium sind echt schwer in Ordnung und super sympathisch.
Den restlichen Tag verbringe ich mit spanisch Lernen, Backen, Volleyball, Tanzen, Karaoke, Spazierengehen, vielen Unterhaltungen und Chorproben, da wir seit kurzem Mitglieder im Kinder-Kirchen-Chor sind, der zweimal in der Woche probt und in nahezu jeder Sonntagsmesse singt.
Außerdem greife ich nicht selten sämtlichen Familienmitgliedern bei den Hausaufgaben bzw. Englisch-Online-Prüfungen unter die Arme. Mittlerweile kann ich mich auch relativ gut mit den Leuten auf spanisch unterhalten und im Notfall gibt’s ja noch Hände und Füße.
Das Essen hier ist sehr schmackhaft, aber meist eher reis- und hühnchenlastig, jedoch war auch schon von Monstranzbohnen bis Meerschweinchen alles Mögliche auf unserem Mittagstisch zu finden.
Bisherige Ausflüge und Erlebnisse waren beispielsweise: die Besichtigung einer archäologischen Ausgrabungsstätte, das Baden in den heißen Quellen in Huaraz, die Caramelverköstigung in Churin, der Zoobesuch, das Surfen in Lima und vieles mehr. An Tauf-, Geburtstags-, oder Beerdigungsfeiern durfte ich auch schon teilnehmen. Eine peruanische Party, unabhängig vom Alter des Geburtstagskindes, ohne Piñata, kommt ihnen übrigens nicht in die Tüte. Apropos Party, die Peruaner haben das Tanzen wirklich im Blut, egal ob der 80-jährige Onkel oder der Neffe mit 8 Jahren, jeder schwingt mit Vollgas das Tanzbein.
Einige kuriose Sachen gibt es hier aber noch, die ich fast nicht unerwähnt lassen kann. Zum Beispiel schwarze Kloschüsseln, gelbe babsüße Inca Kola und lilanen Mais. In der Schule wird statt Magneten eine Art Klebe-Knete verwendet, die wirklich auf allen Oberflächen haftet und in der Pause saugen die Kinder Wackelpudding aus kleinen Plastiktütchen. Die Verkehrssituation generell ist mehr als wild, Motorräder mit Aufbau, sogenannte Motos, sind die verbreitetsten Fortbewegungsmittel, in denen nicht selten 2 bis 10 Personen mehr oder weniger Platz finden. Auf einem normalen Motorroller ist es auch üblich circa 3 Personen mit Gepäck, aber ohne Helm zu transportieren. Außerdem existieren hier so gut wie keine Straßenschilder, geschweige denn Tempolimits. Trotz allem funktioniert der Verkehr irgendwie, ganz getreu dem Motto: Wer am meisten hupt, hat Vorfahrt. Klopapier ist übrigens so gut wie auf jeder Toilette Fehlanzeige, das bringt jeder selbst mit und schmeißt es nach der Benutzung in den Abfalleimer.
Allgemein geht es mir hier bombastisch gut und ich bin sehr dankbar, dass mir dieser Aufenthalt und die wertvollen Erfahrungen ermöglicht werden. Ich hoffe, ihr hattet wunderschöne kalte Weihnachten und einen guten Rutsch ins neue Jahr, in dem man sich vielleicht auf dem ein oder anderen Vorbereitungsseminar hoffentlich über den Weg läuft. Bis dahin schicke ich euch heiße und sonnige Weihnachtsgrüße aus Peru.
Marie
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